SPORT  03.10.1997

Frauenfussball, Vorschau WM-Qualifikationsspiel Schweiz - Frankreich
Organisator: FC Bern Frauen
Den Klassenerhalt als Ziel
Das Schweizer Nationalteam trägt am Samstag (15 Uhr) auf dem Sportplatz Wyler in Bern im Rahmen der Ausscheidung für die WM 1999 in den USA sein zweites Spiel aus: Die Siegeschancen gegen Frankreich sind eher gering.
  
st/is. Der SFV-Instruktor Simon Steiner, früher aktiver Fussballer bei Burgdorf und Etoile Carouge und seit Juni Nachfolger Alex Gebharts als Frauen-Nationalcoach,
hält die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1999 in den USA als wenig realistische Zielsetzung. Gegen den vermeintlich schwächsten Gruppengegner (Finnland) haben die Schweizerinnen zum Auftakt auswärts durch einen Penalty in der Nachspielzeit mit 0:1 verloren. Die weiteren Widersacher, der EM-Zweite Italien sowie EM-Teilnehmer Frankreich, sind höher einzustufen. «Gegen Frankreich steigen wir am Samstag zwar als Aussenseiter, aber nicht chancenlos ins Spiel», sagt Steiner. 

In der ersten Stärkeklasse 
Die Schweizer Fussballerinnen scheinen mit ihrem Aufstieg in die erste Leistungsklasse und damit unter die besten 16 europäischen Teams in die Nähe ihrer gegenwärtigen Leistungsgrenze gelangt zu sein. Im Rahmen der WM-Qualifikation (der Gruppenerste ist für die USA qualifiziert, der -zweite sichert sich ein Entscheidungsspiel) geht es demnach für die Steiner-Spielerinnen vor allem darum, den Klassenerhalt zu schaffen; der Dritte ist gerettet, der Vierte und Gruppenletzte hat mit einer Nation aus der zweiten Stärkeklasse zu stechen. 

Starker Zuwachs 
Der Schweizer Frauenfussball hat sich in den letzten Jahren eines starken Zuwachses erfreut. Im Hinblick auf die laufende Saison wurden beispielsweise 67 Teams (rund 1000 Spielerinnen) neu in den Meisterschaftsbetrieb integriert - mittlerweile sind rund 10 000 aktive Spielerinnen gemeldet. Beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) hat man dieser Entwicklung Rechnung getragen: Der SFV stellt dem Frauen-Nationalteam ein Jahresbudget von rund 200 000 Franken zur Verfügung, was ungefähr dem Aufwand für eine Nachwuchsauswahl bei den Männern entspricht. Der Frauenfussball schlägt sich derzeit vor allem mit zwei Problembereichen herum:
Einerseits stehen zu wenig qualifizierte Trainer zur Verfügung, anderseits reichen die vorhandenen Sportanlagen häufig nicht aus, um die Bedürfnisse abzudecken. Die NL-A-Spielerinnen des DFC Bern, Doublegewinner der letzten Saison und seit Jahren «Marktleader», trainieren beispielsweise zweimal wöchentlich auf dem Neufeld und absolvieren zusätzlich noch eine Laufeinheit - mangels Platz - in . . . Thun. 

Das Schweizer Kader 
Tor:
Sabine Lecsko (Jahrgang 1966, Bern), Kathrin Lehmann (1980, Schwerzenbach). 

Verteidigung:
Mirjam Berz (1972, Bern), Ursina Capeder (1977, Bad Ragaz), Anita Lindegger (1966, Seebach), Sandra Werren (1970, Seebach), Evelyne Zimmermann
(1977, Therwil), Corina Liniger (1973, Sursee). 

Mittelfeld und Sturm:
Monica Di Fonzo (1977, Sursee), Annerös Frei (1973, Sursee), Nadja Gäggeler (1978, Bern), Cornelia Gisler (1976, Malters), Sandra Kälin (1971, Niederkirchen), Anouk Macheret (1975, Bern), Sonja Spinner (1969, Seebach), Susanne Gubler (1965, Seebach). 

Coach:
Simon Steiner. 

Das Rahmenprogramm 
-
Vorspiel um 13 Uhr zwischen den U16-Auswahlen des Kantons Bern und Zürich.
- Die Berner Sängerin Michèle Bachmann singt die Landeshymnen in Soulversion.
- Die Boygroup «Pure Pleasure» (Vorgruppe der Backstreet Boys) stellt ihre neue CD vor. 
- Ankick durch die ehemalige Skirennfahrerin Heidi Zeller-Bähler. 
 
 
adv 

 

SPORT  03.10.1997

Frauenfussball, Mirjam Berz
Anspruch auf Anerkennung
Mirjam Berz 

Die 25jährige Berner Primarlehrerin spielt beim DFC Bern und gehört dem Schweizer Frauen-Fussball-Nationalteam an, das morgen im Rahmen der WM-Qualifikation auf Frankreich trifft.
  

«bund»
Wie steht es um die Akzeptanz des Frauenfussballs? 
 
mirjam berz 
Sie ist steigend, aber verbesserungswürdig. Vielerorts herrscht noch immer die Meinung vor, beim Frauenfussball werde einfach ein bisschen «gschüttelet». Doch das wird unserem Engagement nicht gerecht. 
 
«bund»
Was antworten Sie Leuten, die sagen, Fussball sei eine Männersache? 
 
mirjam berz
Solche Einschätzungen verstehe ich nicht, schliesslich gibt es auch Männer, die sich im Ballett versuchen. Ich finde, wer Fussball spielen will, soll dies tun. 
 
«bund»
Sie sind Spielerin des DFC Bern und gehören dem Nationalteam an. Welches ist im sportlichen Bereich Ihr grösster Wunsch? 
 
mirjam berz
Der hängt mit der Akzeptanz zusammen: Ich möchte sagen können, dass ich Fussball spiele, und daraufhin auf ein positives Echo stossen. 
 
«bund»
Wie sind Sie Mitglied des DFC Bern geworden? 
 
mirjam berz
Obwohl auch ich ursprünglich mit dem Gedanken gespielt habe, Fussball sei doch eigentlich nichts für Frauen, stand ich schon in meiner Kindheit ständig auf dem Fussballplatz. Später spielte ich beim HC Bern Landhockey und lernte dort Sabine Lecsko kennen, die Torhüterin des DFC Bern und der Nationalmannschaft. Sie hat mich überzeugt zu wechseln. 
 
«bund»
Der DFC Bern hat in der letzten Saison sowohl die Meisterschaft als auch den Cup für sich entschieden. In dieser Saison scheint die Konkurrenz den Abstand verkleinert zu haben . . . 
 
mirjam berz
Das stimmt. Mit Susanne Gubler, Linda Käser und Tatjana Hänni haben uns drei wichtige Spielerinnen verlassen. Der DFC Bern verfügt aber über eine derart gute
Basis, dass wir trotzdem an der Spitze mitspielen können. 
 
 
Autor: Interview: Albert Staudenmann  

 

SPORT  06.10.1997

Frauenfussball, WM-Qualifikationsspiel Schweiz-Frankreich 1-2
Noch auf unsicherem Terrain
Der Sportplatz Wyler hat am Wochenende «hohen Besuch» erhalten. Er war Austragungsort des WM-Qualifikationsspiels der Frauen zwischen der Schweiz und Frankreich. Und er war Gegenstand einer Grundsatzdiskussion über den heutigen Stellenwert des Frauenfussballs. Noch immer müssen die Frauen, wenn es wirklich darauf ankommt, hinten anstehen. Nicht zuletzt bei der Platzwahl.
  

Autor: Jörn Freudenberg 
 
Schnell waren sich alle Beteiligten über die sportliche Bewertung einig: Der 2:1-Sieg der Französinnen im WM-Ausscheidungsspiel gegen die Schweizerinnen ging in Ordnung, wenn auch mit etwas mehr Glück für die Einheimischen ein Remis in Reichweite gelegen hätte. Unmut herrschte hingegen über die Auswahl des Spielorts und über die Beschaffenheit des Platzes - vor allem auf französischer Seite. 

Platz «unwürdig» 
Den Anfang machte die französische Trainerin Elisabeth Loisel, die die Qualität des Platzes für ein WM-Qualifikationsspiel als «unwürdig» befand und schlussfolgerte:
«Ein solcher Platz ist für den Frauenfussball nicht förderlich.» Damit hatte sie den wunden Punkt getroffen: Die Frauen führen in der Männerdomäne des Fussballs immer noch ein Schattendasein. Und von Land zu Land bestehen grosse Unterschiede. «In Frankreich trainieren die Spielerinnen drei- bis viermal die Woche», verrät Loisel. 
 
Das Ringen um Anerkennung kennt auch der Schweizer Nationalcoach Simon Steiner: «In den Vereinen gibt es für die Frauen noch immer Akzeptanzprobleme. Zur Repräsentation sind sie gut genug, aber wenn es beispielsweise um die Platzwahl geht, ziehen die Frauen den kürzeren. Dann spielt die Drittligamannschaft der Männer auf dem schönen, das Frauenteam auf dem schlechten Platz.» Dies sei jedoch keine Anspielung auf die Wahl des Sportplatzes Wyler, unterstützt Steiner die Organisatoren, der Zustand des Rasens sei vor zwei Wochen noch einwandfrei gewesen. Dann habe die Stadt Bern fünf Kubikmeter Sand auf den neuen Rasen geschüttet und den Boden in einen Acker verwandelt. Als Alternative zu Wyler hatte der Schweizerische Fussball-Verband (SFV) noch das Neufeldstadion im Auge. «Aber man stelle sich 700 Zuschauer im Neufeld oder im Wankdorf vor, da fehlt die Atmosphäre», rechtfertigte Torhüterin Sabine Lecsko die Wahl des SFV. 
 
950 Zuschauer und Zuschauerinnen zog es ins Wylerstadion, «natürlich um den Match zu schauen», wie ein Besucher entgeistert auf die Frage, warum er hier sei,
entgegnete. Die Zeiten, in denen Männer aus Neugier zum Frauenfussball gingen und hinter kickenden Spielerinnen potentielle Emanzen oder Lesben vermuteten, sind vorbei. Bemerkungen, wie «Etwas fraulicher könnte die nun wirklich sein», sind allerdings noch nicht ausgestorben. 
 
Im Zentrum des Publikumsinteresses steht die Leistung. Das Publikum macht aber innerhalb der Teams ein grosses Gefälle aus. «Die kann ja nicht einmal den Ball annehmen», urteilte eine Besucherin. Mittelstürmerin Monica di Fonzo konterte nach dem Match: «Auf diesem Platz verspringt der Ball schnell.» Dennoch «. . . ist die fehlende technische Grundsicherheit im Frauenfussball eine Tatsache», weiss Sabine Lecsko. 
 
Zukunft ist weiblich 
Vergleiche mit den Männern wollen die Frauen nicht gelten lassen. «Es erwartet ja auch niemand, dass Martina Hingis Pete Sampras Paroli bieten kann», wendete Steiner ein. Die Frauen entwickeln ihren eigenen Stil, und der ist technisch orientiert. Das sieht auch der Fifa-Generalsekretär Joseph S. Blatter so und wagt eine kühne Prognose: «Die Zukunft ist weiblich.» 

MOn 

 

zurück

 

 

home | email | letzte Aenderung 24.01.03