SPORT  08.02.2000

Frauenfussball

* Urs Frischknecht Fort Lauderdale

Der «Arbeitskampf» hat sich für die US-Fussballerinnen gelohnt
Mit ihrem WM-Titelgewinn schrieben die Fussballerinnen der USA eine der schöneren Sportgeschichten des Jahres 1999. Nun siegten sie auch im Kampf um Akzeptanz und einen neuen Vertrag.
  
Da soll noch jemand kommen und behaupten, Fussball sei reine Männersache. Die Begegnung zwischen den Frauenteams der USA und Norwegen (2:3) war an diesem Sonntagnachmittag in Fort Lauderdale zwar bloss eines von vielen Testspielen der beiden Olympiamedaillen-Anwärter auf dem Weg nach Sydney. Doch es war Frauenfussball auf gehobenem Niveau, mit je einem ordentlichen 4-4-2-System praktiziert, gut organisiert, technisch ansehnlich und vom Unterhaltungswert her gewiss nicht weniger kurzweilig als ein durchschnittliches Spiel in einer Männer-Profiliga dieser Fussballwelt. Doch das Resultat war für einmal absolut sekundär.
 
130 000 Dollar pro Jahr
Denn für die Amerikanerinnen, die nach 22 Spielen ohne Niederlage zwar erstmals wieder verloren, war dieser Test ein absoluter Neubeginn - nicht bloss wegen der neuen Trainerin (April Heinrichs löste den zurückgetretenen WM-Coach Tony Di Cicco ab und gab ihr Debüt).
 
Vorausgegangen war ein wochenlanges Hin und Her um Lohnfragen, das seitens der arrivierten Spielerinnen sogar im Boykott eines Turniers in Australien gipfelte. Aber die kämpferischen Frauen haben sich durchgesetzt. Erstmals in der Geschichte eines nationalen Fussballverbandes verdienen sie zumindest nicht weniger als die Männer, die im Vergleich zu andern Profis in Teamsportarten (Basketball, Football, Eishockey) ohnehin recht knapp gehalten werden. Und die neue Vereinbarung sieht wie folgt aus: 5000 Dollar pro Monat (bisher 3150) sind garantiert, dazu kommen Einsatz- und Erfolgsprämien - normalerweise wird das pro Spielerin ein minimales Jahressalär von rund 130 000 Dollar ermöglichen.
 
Zudem soll das Nationalteam, was allerdings noch unklar und auch umstritten ist, an der neuen Profiliga beteiligt werden, die im kommenden Jahr lanciert wird. «Wir wissen, dass wir damit die Messlatte nach oben angehoben haben - aber das haben wir auch gesucht», sagt Mia Hamm, die prominenteste Spielerin des Teams (siehe auch Interview). Und Brandi Chastain, eine andere Exponentin, die im letzten Sommer den entscheidenden Penalty im WM-Final gegen China verwandelte und damit Weltberühmtheit erlangte: «Wir haben über Jahre hinweg praktisch gratis gespielt und lange genug um die Anerkennung als Fussballerinnen gekämpft. Wir wollten bloss, was uns zustand.»
 
Populär gemacht
Dabei waren die Forderungen nicht einmal unverhältnismässig. Denn die US-Kickerinnen haben diesen Sport, der den meisten Einheimischen auch nach der Männer-WM von 1994 ungefähr so exotisch daherkommt wie American Football den Europäern, mehr popularisieren können, als es ihren männlichen, international grösstenteils erfolglosen Kollegen jemals gelang. 90 125 Zuschauer - die grösste je registrierte Menge an einer Frauensport-Veranstaltung - verfolgten am 10. Juli 1999 in Pasadena den Final. Und nach dem Erfolg waren die kickenden Heldinnen sogar den gewöhnlich nicht auf den Sport fokussierten News-Magazinen wie «Time» oder «Newsweek» Titelgeschichten wert, sie wurden von Präsident Bill Clinton im Weissen Haus empfangen, nahmen an TV-Talkshows teil, wurden von «Sports Illustrated» zur Mannschaft des Jahres gekürt - und so weiter. 
 
Hank Steinbrecher, der Generalsekretär des amerikanischen Verbandes, wird den Mehraufwand verkraften können. Nicht zuletzt wegen der erfolgreichen WM im
eigenen Land betrug der Überschuss in der Jahresrechnung rund 35 Millionen Dollar. Er wehrte sich vorerst gegen diesen Handel, mit dem Argument, im Gegensatz zu NBA (Basketball) oder NFL (Football) handle es sich bei der US-Soccer-Organisation um kein an Profit orientiertes Unternehmen. Doch gegen die fussballerische Frauen-Power war er machtlos. *
  
* Urs Frischknecht Fort Lauderdale

 

BERNER ZEITUNG 

SPORT  (08.02.2000)

Mia Hamm

*Interview: Urs Frischknecht

«Darauf bin ich wirklich stolz»
Mia Hamm, prominenteste US-Fussballerin, exponierte sich in den Vertragsverhandlungen besonders.
  
BZ:
Mia Hamm, Sie erzielten in Ihrem 184. Länderspiel Ihr 115. Tor, wurden aber beim Stand von 2:1 für die USA ausgewechselt - zuletzt gewann Norwegen noch mit 3:2. Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?
Mia Hamm:
Nein. Wir haben jetzt ein neues Ziel - die Olympischen Spiele in Sydney. Gegen Norwegen absolvierten wir unser erstes Vorbereitungsspiel. Und da ist es richtig, dass unsere jungen Spielerinnen Erfahrungen sammeln können.
BZ:
In den letzten Wochen war wenig vom Fussball die Rede. Sind Sie zufrieden damit, was Ihre Kolleginnen und Sie in den «Arbeitsverhandlungen» erreicht haben?
Mia Hamm:
Auf jeden Fall. Es ist so etwas wie eine neue Übergabe von Verantwortung. Wir haben nach dem WM-Titel gespürt, dass wir etwas unternehmen müssen. Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir alle solidarisch geblieben sind. Der Vertrag unterstützt auch ältere Spielerinnen, die viel für den Frauenfussball und dessen Anerkennung getan haben, nach Sydney aber vielleicht zurücktreten. Der neue Kontrakt ist auch gut für die weitere Entwicklung, es ist eine Zusage des Verbandes zu Gunsten des Frauenfussballs.
BZ:
War der Streik für zwei Spiele der richtige Weg?
Mia Hamm:
Es war nicht einfach, diese beiden Spiele «auszusitzen». Doch wir fühlten alle, dass wir keine andere Wahl hatten. Wir stellten keine riesigen Forderungen und verlangten bloss eine faire Behandlung. Die haben wir bekommen.
BZ:
Aber Sie persönlich sind für die Werbewirtschaft spätestens seit dem WM-Titel eine gefragte Person. Ausschliesslich das Geld stand deshalb kaum im Vordergrund.
Mia Hamm:
Werbeverträge laufen über Manager - und das wickelt sich, wenn es nicht ausdrücklich ums Team geht, auf individueller Ebene ab. Aber hier ging es vor allem um eine Sache: die Akzeptanz des Frauenfussballs.*
  

*Interview: Urs Frischknecht

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