SPORT  23.05.1995

Frauenfussball, Meisterschaft 1994/95
Den ersten Schritt zum Double geschafft
Nach dem 2:0 (1:0)-Erfolg gegen Schwerzenbach sind den Spielerinnen des DFC Bern Meisterpokal und Medaillen überreicht worden.
  

mhb. «In dieser Saison hat einfach alles zusammengestimmt», erklärt Trainerin Vreni Höhener den Meistertitel der Berner Fussballerinnen. Die 31jährige war 15 Jahre lang Spielerin des DFC Bern und konnte nun in ihrer ersten Saison als Trainerin mit Assistentin Margrit Näf gleich den Pokal in Empfang nehmen. In diesem Jahr wird sie sich um das A-Trainer-Diplom bemühen, welches in der Schweiz erst vier Frauen besitzen. 
 
Der DFC Bern hat in der laufenden Meisterschaft, in der noch zwei Runden ausstehen, nur eine einzige Partie verloren (1:2 gegen Schwerzenbach) und zweimal unentschieden gespielt - alle andern Spiele konnten gewonnen werden. Die Bernerinnen sind damit auch Favorit für den Cupfinal, der im Juni auf dem Sportplatz Wyler stattfinden wird. Gegner ist der «ewige Rivale» und letztjährige Meister Seebach, der im Final des Vorjahres mit 1:0 bezwungen wurde. 
 
Nationalteam gegen Deutschland 
Bei der Meisterfeier des DFC Bern war auch Alex Gebhart anwesend. Der Sporthochschullehrer ist seit Jahren beim SFV tätig - früher als Juniorentrainer, mittlerweile als Trainerausbildner und seit vier Jahren als Trainer der Frauennationalmannschaft. Das Nationalteam trägt heute im Rahmen des 100-Jahre-Jubiläums des SFV in Therwil ein Repräsentativspiel gegen Europameister Deutschland aus. Das optimistische Ziel des Trainers für dieses Spiel ist ein Unentschieden, obwohl der letzte Vergleich mit einer 0:11-Schlappe endete. «In meiner Ära gab es aber auch einmal eine Niederlage, die mit 0:1 äusserst knapp ausfiel», erinnert sich Gebhart. «Damals
spielten wir am Limit.» 
 
Der Niveauunterschied der Schweiz zu den führenden Nationen (Deutschland und die skandinavischen Länder) ist frappant. Einige Vergleiche, die Gebhart anführt, zeigen, warum dem so ist. «Während in Deutschland etwa 500 000 Spielerinnen aktiv sind, zählt der Schweizer Frauenfussball rund 5000 Aktive. In Schweden spielen mehr Frauen Fussball als Männer Eishockey, und in Norwegen ist jedes fünfte Mädchen Fussballspielerin.» Demgegenüber fehlt dem Schweizer Frauenfussball (noch?) weitgehend die Popularität. 
 
Im Kader des Nationalteams stehen mit Sabine Lecsko, Simone Vonlanthen, Susanne Gubler und Ramona Nobs auch vier Bernerinnen. Nobs ist mit 18 Jahren die jüngste Nationalspielerin. Sie hat mit sieben Jahren (zusammen mit ihren männlichen Alterskollegen) bei den Aarberger F-Junioren begonnen und ist vier Jahre später zum DFC Bern gestossen. Mit 15 Jahren spielte sie bereits in der U-21-Auswahl. Seit letzter Saison figuriert sie im 16er-Kader des Nationalteams, wo sie noch keinen Stammplatz besitzt. In der Familie Nobs aus Baggwil spielen alle vier Kinder Fussball. «Für mich ist es kein Problem, dass sich meine Töchter für Fussball begeistern», sagt Mutter Theres Nobs. «Ramona ist ein ähnlicher Spielertyp wie Alain Sutter», meint Mutter Nobs. Ist Sutter auch Ramonas Vorbild? «Ich möchte kein Vorbild haben», sagt sie. «Natürlich gibt es Spieler, denen ich besonders gerne zusehe. Dazu gehört auch Sutter.» 
 
Obwohl die Frauenfussballerinnen in der Schweiz reine Amateurinnen sind, ist der Zeitaufwand nebst den Spielen mit zwei Fussball-Trainingseinheiten und einem Training mit Leichtathletiktrainer Ernst Frey recht gross. Ramona Nobs bevorzugt eindeutig Fussball: «Als Individualsportlerin kann ich mich zu wenig motivieren», sagt sie. In ihrer Schulklasse im Feusi-Gymnasium sitzt mit dem Berner Lauftalent Anita Weyermann eine Sportlerin, die anders denkt. 
 
Das Kader des DFC Bern: Mirjam Berz, Patricia Dähler, Nadia Gäggeler, Karin Grossenbacher, Susanne Gubler, Linda Käser, Sabine Lecsko, Annouk Macheret,
Ramona Nobs, Andrea Olling, Ursula Röthlisberger, Evi Schranz, Chris Stelios, Barbara Tschanz, Simone Vonlanthen, Meret Wenger und Manuela Zahnd. 
 
Die Resultate der 18. Runde:
Bern - Schwerzenbach 2:0. Blue Stars - Bethlehem 5:1 (Torschütze für Bethlehem: 61. Patrizia Rubini 3:1). Rapid Lugano - Seebach 3:4.

Die Rangliste:
1. Bern 32. 2. Seebach 25. 3. Blue Stars 19. 4. Schwerzenbach 17. 5. Rapid Lugano 13. 6. Bethlehem 2. 

 

SPORT  19.06.1995

Frauenfussball Cup-Final
Der Meister wird auch Cupsieger:
Bern bezwingt Seebach 4:2
Höhenflug dank Vreni Höhener 
Der DFC Bern setzte sich in einem spannenden und attraktiven Cupfinal gegen die Zürcherinnen aus Seebach glücklich mit 4:2-Toren durch und schaffte nach der gewonnenen Meisterschaft nun auch noch das Double. 
  

pfi. Die beiden renommierten NL-A-Mannschaften Bern und Seebach, die sich in der Geschichte des Cupfinals schon achtmal gegenüberstanden, zeigten den zahlreich erschienenen Zuschauern einen von Anfang an packenden Cupfinal mit vielen Torszenen auf beiden Seiten. Zwar litt die Spielkultur phasenweise unter der Hektik und der Nervosität, doch was die beiden Teams vor allem in den ersten 30 Minuten boten, war sehr sehenswert. 
 
Die leicht favorisierten Bernerinnen, die nach der Meisterschale auch das Double anvisierten und sehr motiviert in die Partie gingen, hatten in der Startphase mehr vom Spiel und kamen durch schnelle Gegenstösse immer wieder gefährlich zum Abschluss. Bereits nach wenigen Minuten gelang der U-21-Nationalspielerin Nadja Gäggeler mit einem sehenswerten Sololauf das 1:0. Doch die Freude über den Führungstreffer dauerte nicht lange, erzielte doch die Nationalspielerin in Diensten von Seebach, Sandra Werren, den Ausgleich. Es kam für die Bernerinnen gar noch schlimmer, als die flinke Nelly Sauter zum 2:1 für Seebach einschob und dem Selbstvertrauen der Gastgeber einen zusätzlichen Schlag versetzte. «Es war ein anstrengender Nachmittag. Nach der Führung erhiel ten wir unnötig den Ausgleich, der nach einem Stellungsfehler fiel. Doch zuvor und danach verzeichneten wir die besseren Szenen», fasste Vreni Höhener, Trainerin des DFC Bern, das Geschehen zusammen. 
 
Nach packendem Schlagabtausch und dem verdienten Ausgleich durch Linda Käser, die mit Einsatzwillen und Torgefährlichkeit auffiel, setzten beide Mannschaften vermehrt auf die Karte Sicherheit und stützten sich auf eine vielbeinige Abwehr. «Nach dem Seitenwechsel gerieten wir unter grossen Druck, weil unserer Spielweise vorübergehend Ruhe und Ordnung fehlten. Die Angst vor dem Verlieren war spürbar, schliesslich wussten die Spielerinnen, dass dem nächsten Treffer entscheidende Bedeutung zukam», meinte Höhener, die in ihrem ersten Trainerjahr bei Bern auf Anhieb das Double - Sieg in Meisterschaft und Cup - gewann. 
 
Sechs Minuten vor dem Abpfiff gelang dem Meister das 3:2. «Nach einer Flanke prallte der Ball mit sehr viel Glück zu mir, und mit einem plazierten Schuss konnte ich den gegnerischen Goalie bezwingen», meinte Linda Käser, die mit ihren zwei Toren viel zum neunten Berner Cupsieg beisteuerte. Die Zürcherinnen waren in den verbleibenden Minuten nicht mehr imstande, das Rad nochmals zu drehen, mussten gar noch das 4:2 hinnehmen, das nach einem Konter fiel. 
 
Für die Bernerinnen ging gestern eine grossartige Saison zu Ende, die mit dem Cupsieg gekrönt wurde. Der Erfolg trägt vor allem einen Namen: Vreni Höhener. Ihr gelang es, eine schlagkräftige Spitzenmannschaft zu formen, bei der die Mischung zwischen Alt und Jung ausgezeichnet zusammen passt. «Wir besitzen ein grosses Kader und hatten während der ganzen Saison keine schwerwiegende Verletzungen zu beklagen. Es ist ein grossartiges Gefühl, wenn in einer solch harmonischen Mannschaft auch noch die Resultate stimmen», freute sich Vreni Höhener. 

Bern - Seebach 4:2 (2:2)
Sportplatz Wyler, Bern. - 350 Zuschauer. - SR Wildhaber (Payerne). - Tore: 7. Gäggeler 1:0. 14. Werren 1:1. 17. Sauter 1:2. 32. Käser 2:2. 84. Käser 3:2. 91. Stelios
4:2. - Bemerkung: 43. Pfostenschuss Sauters (Seebach). 

Bern:
Lecsko; Berz; Vonlanthen, Grossenbacher, Olling (36. Röthlisberger); Dähler (90. Barbara Tschanz), Eveline Tschanz, Nobs, Gäggeler; Macheret (69. Stelios),
Käser. 

 

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