Autor: christoph bussard
Fifa-Generalsekretär Joseph Blatter wagte kürzlich eine happige Prognose. «Der Frauenfussball expandiert so schnell, dass wir im ersten Jahrzehnt des nächsten
Jahrtausends gleich viele Fussballerinnen wie Fussballer haben werden, sofern religiöse, soziale und kulturelle Aspekte dies erlauben.»
Es gibt durchaus Länder - Deutschland, Norwegen, China und die USA beispielsweise - in denen der Frauenfussball populär und die Zahl der weiblichen Aktiven relativ
hoch oder im raschen Wachstum begriffen sind. Dennoch scheint die Voraussage Blatters zu hoch angesetzt.
Gleichheit kaum erreichbar
In Norwegen, wo der Frauenfussball weiter entwickelt ist als in den meisten anderen Ländern - die Norwegerinnen wurden 1995 in Schweden Weltmeister -, sind 60'000 Mädchen und Frauen lizenziert, das ist nur ein Viertel der Aktivenzahl der Männer. In Deutschland geniesst der Frauenfussball ebenfalls ein verhältnismässig hohes
Ansehen, doch auch dort sprechen die Aktivenzahlen und deren Entwicklung gegen Blatters Aussage. Zudem, bemerkt Hansruedi
Hasler, TK-Chef des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), «sind gerade arabische und verschiedene asiatische Länder punkto Frauen sehr zurückhaltend. Deshalb ist die von Joseph
Blatter angesprochene zahlenmässige Gleichheit kaum erreichbar.» Im Moment liegt diese Parität jedenfalls noch in weiter Ferne. Weltweit sind 201 Millionen Fussballer
lizenziert, während die Zahl der Fussballerinnen mit 30 Millionen fast siebenmal kleiner ist.
Jährlich plus 15 Prozent
Dennoch ist der Frauenfussball erwiesenermassen im Wachstum begriffen. Mit der ersten Frauen-Weltmeisterschaft 1991 in China, wo durchschnittlich rund 50'000
Zuschauer die Spiele mitverfolgten, wurden neue Massstäbe gesetzt. Das Mauerblümchendasein war zu Ende, die WM (die nächste findet 1999 in den USA statt) und
das Olympische Frauenturnier (erstmals 1996 in Atlanta) haben im Fifa-Wettkampfkalender ihren festen Platz erhalten.
Auch in der Schweiz findet der Aufwärtstrend seinen Niederschlag. Seit der SFV den Frauenfussball 1993 integriert hat, ist die Anzahl der Teams und Spielerinnen
jährlich um 15 Prozent gestiegen. Derzeit sind hierzulande 250 Frauenteams und gut 5100 Fussballerinnen registriert, die Mädchen, die in gemischten Junioren-D- und
Junioren-E-Teams integriert sind, nicht mitgezählt. Bei den Männern sind rund 209 000 Fussballer lizenziert.
Der SFV ermuntert
Das Wachstumspotential ist in der Schweiz durchaus vorhanden. Hansruedi Hasler gibt ein Beispiel: «Am Philips-Cup, der Schweizer Schülermeisterschaft, nehmen
jeweils rund 10'000 Mädchen teil, die grösstenteils keinem Klub angehören.» Der SFV hat die Fussballvereine ermuntert, möglichst viele Mädchen zu einem Klubbeitritt
zu bewegen. Dies geschehe letztlich auch im Interesse der Vereine selber, sagt
Hasler. «Später können Frauen einen Trainer- oder Funktionärsposten übernehmen,
diesbezüglich besteht in der Schweiz ein grosses Defizit.» Zurzeit stehen in der Schweiz den 40'000 Trainern nur 105 Trainerinnen gegenüber.
Der SFV ist bei den Frauen vor allem im Nachwuchsbereich aktiv. Neu wurden eine U-21- sowie eine U-18-Auswahl geschaffen; im U-16-Bereich entstehen wie bei
den Junioren Regionalauswahlen.
Vergleiche unangebracht
Spielerinnen, Trainer und Funktionäre, die in den Frauenfussball involviert sind, wehren sich vehement gegen Vergleiche mit dem
Männerfussball. «Rein von den
physischen Voraussetzungen her ist es nicht möglich, dass Frauen gleich kraftvoll und spektakulär Fussball spielen wie Männer», sagte Alex Gebhart, Coach des
Schweizer Frauennationalteams, kürzlich in einem Interview gegenüber Radio DRS. «Der Männerfussball ist dramatischer, der Frauenfussball dagegen technischer und
viel weniger hart.» Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb revidieren Zuschauer, die zum ersten Mal einen Frauenmatch sehen, ihr Vorurteil, der Frauenfussball sei
unattraktiv. Dazu kommt die angenehme Nebenerscheinung, dass pöbelnde oder betrunkene Fans eigentlich nie zugegen sind.
Laut TK-Chef Hasler wird aber der Frauenfussball trotz seinem «Eigenleben» und auch im Fall eines fortwährenden Aufwärtstrends nie an die Popularität des
Männerfussballs herankommen. «In unserem Land ist die Frau weit weniger sportlich eingestellt als der Mann. Das bedeutet, dass aktive Sportlerinnen niemals eine
derart grosse Lobby hinter sich bringen können wie die Männer.» Das sei auch am geringen Medieninteresse abzulesen. «Wir müssen um jede Minute Fernsehpräsenz
hart kämpfen.»
Doppelbelastung
Da im Schweizer Frauenfussball das Halb- oder Profitum momentan kein Thema ist, stellt insbesondere für Nationalspielerinnen das Nebeneinander von Beruf und Sport
ein grosses Problem dar. Simone Vonlanthen, Captain des Schweizer Meisters und Cupfinalisten FC Bern (siehe kleinen Kasten) hat vor einem Jahr den Rücktritt aus
dem Nationalteam gegeben, «weil ich bei vier Wochen Ferien jährlich einen zu grossen Teil dem Fussball respektive dem Nationalteam opfern musste». Beim SFV wird
die helvetische Frauenauswahl in den Bereichen Organisation und Spesenvergütung gleich behandelt wie die Juniorennationalmannschaften. «Für Erwerbsausfälle
können wir nicht aufkommen, die Frauen müssen selber entscheiden, ob sie den Aufwand betreiben wollen oder nicht», erklärt
Hasler.
Für Simone Vonlanthen waren die Strapazen zu gross, was ihrer Freude am Fussball allerdings keinen Abbruch getan hat. «Die Begeisterung ist immer noch da», sagt
sie überzeugt.
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Sabina Wölbitsch: Fussballerin auf Reisen
cbn. Sabina Wölbitsch hat es als eine von wenigen Schweizer Fussballerinnen geschafft, im Ausland Fuss zu fassen.
Von Seebach Zürich kommend gelang ihr vor sieben Jahren zuerst der Sprung nach Italien. Nachdem sie an einem internationalen Turnier von Vertretern des Klubs
Reggio Emilia angesprochen worden war, absolvierte sie dort ein Probetraining und wurde schliesslich unter Vertrag genommen - als Vollprofi notabene. Sabina
Wölbitsch verdiente in Italien pro Monat umgerechnet rund 1500 Franken, dazu kamen eine Wohnung, Telefon- und Benzinspesen sowie Erfolgsprämien. Obwohl die
heute 31jährige mit Reggio Emilia auf Anhieb italienischer Meister wurde, wollte sie in die Schweiz zurück: «Die meisten Spielerinnen reisten von auswärts zu den
Trainings und den Meisterschaftspartien an, ich war deshalb oft alleine.»
Zurück in ihrer Heimat spielte sie eineinhalb Jahre beim FC Bern, ehe sie beim deutschen Verein TUS Niederkirchen anklopfte und dort auch einen Vertrag erhielt. In
einer ersten Phase arbeitete Wölbitsch von Montag bis Mittwoch mittag in der Schweiz, fuhr am Nachmittag nach Deutschland und bestritt von Donnerstag bis Sonntag
Trainings sowie Meisterschaftsspiele bei Niederkirchen. Nach einiger Zeit war ihr dieses Hin und Her aber zu anstrengend. Sie suchte in Deutschland einen Job und
kam in einem Managementbüro unter.
Hohes Ansehen
Das Team von Sabina Wölbitsch, in dem mit Sonja Spinner und Sandra Kälin zwei weitere Schweizerinnen integriert sind, geniesst in der Region grosses Ansehen, das
Medieninteresse ist weit grösser als hierzulande. «In der Schweiz sind Frauen-Teamsportarten weit weniger beliebt und die Unterstützung durch Verbände ist geringer
als in Deutschland, wo auch die Sponsoren mehr Interesse zeigen», meint Sabina
Wölbitsch.
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